An dieser Stelle gewähren wir Ihnen einen Einblick in unsere "Missionen" und unsere Lebens- und Arbeitswelt.
Am Wochenende habe ich mit befreundeten Archäologen an einem Steinzeitworkshop teilgenommen. Schon immer wollte ich lernen, wie man aus Feuerstein Werkzeuge herstellt. Nach wenigen Minuten war klar: Es ist ein mühseliges Unterfangen, selbst für geübte Hände.
Am Ende war ich stolz auf etwas, das so ähnlich wie ein Faustkeil aussah. Irgendwann bei der Herstellung fiel mir auf, dass so ein Faustkeil – zugegeben mit viel Fantasie – die Form einer Computermaus hat. Der zunächst abwegige Gedanke machte aber der Erkenntnis Platz, dass beide ergonomisch geformt sind, um bei der Arbeit gut in der Hand zu liegen. Beim Faustkeil galt damals allerdings: ein Mensch, ein Stein. Bei der Computermaus müssen Öl gefördert, Derivate erzeugt, Kunststoffe hergestellt, Leiterplatten installiert und eine Software programmiert werden. Sie entsteht also sehr viel arbeitsteiliger. Nichts gegen Arbeitsteilung, aber haben Sie z.B. schon einmal versucht, einen Drucker zu reparieren oder Verbrauchsteile an einem Pkw neueren Datums zu wechseln? Ich früher ja. Aber heute reicht mein Talent nicht einmal mehr dazu, die Glühlampe des Frontscheinwerfers zu wechseln. Und das, obwohl ich meine Schule beendet, mein Studium absolviert, verschiedene Berufstätigkeiten ausgeübt habe und meine Lebenserfahrung täglich größer wird.
Das ist Ausdruck der fortschreitenden Arbeitsteilung und von Kundenbindung. Sicher, manchmal ist es schön, sich nicht um alles selbst kümmern zu müssen, aber der Grat zwischen arbeitsteiligem Service und umfassender Abhängigkeit ist schmal. Bedeutet das nicht auch, dass wir auf der einen Seite immer gebildeter werden, aber gleichzeitig immer weniger können? Wir beklagen, dass viele Jugendliche weder kochen noch einen Fahrradschlauch flicken können, aber ist das nicht Ergebnis der gleichen Denkart?
Was also habe ich bei dem Steinzeitworkshop wirklich gelernt oder besser mir wieder ins Bewusstsein zurückgerufen? Dass Arbeitsteilung sinnvoll, aber – in einem zu großen Ausmaß – auch bedenklich ist, weil es zu weniger Selbstwirksamkeit führt. Und ist es nicht auch so, dass wir infolge stetiger Spezialisierung immer weniger Überblick in einer gleichzeitig komplexer werdenden Welt haben? Was bedeutet das eigentlich für Bildungskonzepte der Zukunft? Ihnen wünsche ich in jedem Fall, dass die Lebensdauer der Glühbirne Ihres Frontscheinwerfers länger ist als die Ihres Autos.
Ihr Jörg Friese - seit März 2020 auch im „Mission ICH“-Team aktiv