Mentor*innenqualifizierung 2016-2019 - Ein aktueller Stand (Prof.in Dr. Carolin Retzlaff-Fürst)

 

Mentor*innenqualifizierungen werden momentan in vielen deutschen Bundesländern ins Leben gerufen. Ein interdisziplinäres Fachdidaktiker*innenteam sowie Vertreter*innen der allgemeinen Schulpädagogik der Universitäten Rostock und Greifswald und die Fachdidaktik der Hochschule für Musik und Theater (hmt) Rostock hat für das Bundesland M-V ein stark fachlich orientiertes Qualifizierungsprogramm entwickelt. Ziel des Programms ist es, zukünftige Mentor*innen in die Lage zu versetzen, die Unterrichtsvorbereitung von Studierenden und Berufsanfänger*innen zu begleiten, deren Unterricht und Unterrichtsmaterialien zu reflektieren und die Ergebnisse lernwirksam zu kommunizieren.


Ausgangspunkt war die Analyse des aktuellen Forschungsstandes. Es wurden die Mentoring-Modelle „Reflexives Praktikum“ (von Felten, Herzog 2001; von Felten 2004; Herzog 1995), das „Fachspezifisch-pädagogische Coaching“ (Kreis, Staub 2011; Kreis 2012; Staub, Kreis 2013), das „Educative Mentoring“ (Feiman-Nemser 2001), das „Standard-basierte 3-Ebenen-Mentoring“ (Niggli 2004) und Arbeitsweisen aus der „Professionalisierung im Lehrerberuf“ (Stöger, Lion & Niermann, 2010) sowie das Bedingungsfeld analysiert. Vor diesem Hintergrund entstand eine zweigliedrige Struktur des Curriculums. Diese Struktur folgt dem Modell der professionellen Handlungskompetenz (Shulman, 1986; Baumert & Kunter, 2006) und umfasst zweimal 45 Stunden. Die „Allgemeine Qualifizierung“ umfasst fünf allgemeinpädagogische und didaktische Module mit den Themenbereiche 1) Strukturwissen, z.B. Aufbau der ersten und zweiten Phase der Lehrer*innenbildung 2) Selbstkompetenz, z.B. Zeit- und Selbstmanagement, Selbstreflexion und Berufsberatung von angehenden Lehrer*innen und 3) Betreuungskompetenz, z.B. kooperative Gesprächsführung und ko-konstruktive Unterrichtsvorbereitung. Ein besonderer Schwerpunkt ist der Bereich Betreuungskompetenz. Die Mentor*innen werden hier für ihre Rolle innerhalb des vorbereitenden, begleitenden und nachbereitenden Mentorings bei Unterrichtsversuchen qualifiziert. Ein Merkmal der Ausbildung ist, dass sich viele Mentor*innen bereits in eigenen, parallel dazu laufenden Betreuungstätigkeiten befinden und so ihr eigenes Handeln weiterentwickeln. Im Anschluss oder auch parallel zu den Modulen der „Allgemeinen Qualifizierung“ gestalten die einzelnen Fachdidaktiken jeweils im zweiten Weiterbildungsteil eine „Fachspezifische Qualifizierung“ mit Inhalten zum fachlichen bzw. künstlerischen sowie fachdidaktischem Wissen und Können. Hier werden die fachbezogene und fachdidaktische Lehrkompetenz erweitert, d.h. aktuelle Erkenntnisse, Konzepte und Materialien des Faches zum Thema gemacht. Weiterhin wird die Betreuungskompetenz mit Bezug zum eigenen Fach vertieft diskutiert und in Artikulationsweisen des Faches übertragen. Z.B. standen im Mittelpunkt der fachspezifischen Weiterbildung in Biologie ebenfalls das Strukturwissen rund um das Thema „Biologielehrer*in werden“, die Vertiefung von reflexiven Selbstkompetenzen, die Auseinandersetzung mit aktuellen fachdidaktischen Erkenntnissen zum Thema „Naturwissenschaftliches Arbeiten im Biologieunterricht“ und eine fachwissenschaftliche Weiterbildung zum Thema „Experimentieren am Beispiel der Genetik“. Die Mentor*innenqualifizierung wird sowohl von den einzelnen Fachdidaktiken bzw. der Schulpädagogik qualitativ und quantitativ begleitend evaluiert. Erste Evaluationen an den Weiterbildungstagen zeigen einerseits ein hohes Interesse der Lehrer*innen am Mentoring, aktuellen pädagogischen (z.B. Lernbüro), fachdidaktischen (z.B. Kompetenz- und Zieldiskussion) und fachlichen (z.B. Projekt zum Berufsfeldbezug Genetik) Inhalten. Auf der anderen Seite eröffneten die Konsultationen mit den externen Stakeholdern wie Schulleiter*innen (z.B. Einbezug neuer Fächer), Universitätsangehörigen (z.B. Kooperationen bei der Gestaltung von Praxisphasen und Schulnetzwerken) neue Inhalts- und Austauschbedarfe.

 

Literatur

Baumert, J. & Kunter, M. (2006): Stichwort: Professionelle Kompetenz von Lehrkräften. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, Heft 4, 469-520.

Feiman-Nemser, S. (2001): Helping Novices learn to teach. Lessons from an exemplary support teacher.Journal of Teacher Education. 52 (1), 17-30.

von Felten, R. & Herzog, W. (2001): Von der Erfahrung zum Experiment. Angehende Lehrerinnen und Lehrer im reflexiven Praktikum. Beiträge zur Lehrerbildung (3), 29-42.

von Felten (2004): Lernen im reflexiven Praktikum. Eine vergleichende Untersuchung. Dissertation, Universität Bern.

Herzog, W. (1995): Reflexive Praktika in der Lehrerinnen- und Lehrerbildung. Beiträge zur Lehrerbildung 19 (1), 253-273.

Kreis, A. & Staub, F. C. (2011). Fachspezifisches Unterrichtscoaching im Praktikum – Eine quasiexperimentelle Interventionsstudie. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 14 (1), 61-83.

Kreis, A. (2012). Produktive Unterrichtsbesprechungen. Lernen im Dialog zwischen Mentoren und angehenden Lehrpersonen. Berlin, Stuttgart, Wien: Haupt.

Niggli, A. (2004). Standard-basiertes 3-Ebenen Mentoring in der Lehrerinnen- und Lehrerbildung. Retrieved from: teml.at/sites/Niggli-3-Ebenen-Mentoring-Artikel.pdf [Stand 17.6.2018]

Shulman, L. S. (1986). Those Who Understand: Knowledge Growth in Teaching. Educational Researcher, 15(2), 4-14.

Stöger, C., Lion, B. & Niermann, F. (2010). Professionalisierung im Lehrberuf. Ziele erreichen – Potenziale nutzen. Weinheim und Basel: Beltz