Projektbeschreibung

Mit dem Projekt SeiL soll die Frage beantwortet werden, wie und unter welchen Bedingungen durchgeführte Maßnahmen wirken, die den Studienerfolg im Lehramtsstudium erhöhen sollen. Der Fokus der Betrachtung liegt hierbei auf den MINT-Fächern „Mathematik“ und „Informatik“.

Unter den vielfältig diskutierten Begriff des Studienerfolgs (vgl. bspw. f. e. Überblick Bornkessel, 2018, S. 7-11) können neben dem erfolgreichen Abschluss eines Studiums auch Aspekte wie Kompetenzerwerb, Zufriedenheit im Studium und Persönlichkeitsentwicklung fallen (vgl. bspw. ebd., S. 10; Huber, 2009). Heinze (2018, S. 42) unterscheidet Studienerfolg entsprechend auf der objektiven und subjektiven Ebene und fügt den Zeitpunkt – unterschieden nach Studienverlauf (Prozessebene), Studienabschluss (Ergebnisebene) und Übergang in den Beruf (Ertragsebene) – als weitere Dimension hinzu. So können neben dem Studienabschluss bereits im Studienverlauf objektive Erfolgskriterien wie bspw. Noten aus Prüfungen, Anzahl (nicht) bestandener Prüfungen oder die Anzahl erworbener Leistungspunkte untersucht werden. Dabei handelt es sich um Merkmale, die nicht erst erhoben werden müssen, sondern innerhalb der Hochschulen in Form von Verwaltungsdaten vorliegen. Im vorgestellten Vorhaben sollen entsprechende Merkmale mit Hilfe einer Studienverlaufsstatistik untersucht werden.

Ausgangspunkt der Konzentration auf die MINT-Fächer sind die Befunde, die im Rahmen des vom Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur Mecklenburg-Vorpommern (M-V) geförderten Projekts „Studienerfolg und -misserfolg im Lehramtsstudium“ von Januar 2017 bis Juni 2020 gesammelt wurden. Basierend auf den Verwaltungsdaten der lehrkräftebildenden Hochschulen des Landes wurden die Studienverläufe der Lehramtsstudierenden seit der Modularisierung im Jahr 2012 analysiert (vgl. Radisch et al., 2018 u. Radisch et al. 2021). Dabei zeigte sich, dass die Schwundquoten im Lehramtsstudium deutlich höher ausfallen als Zahlen des statistischen Bundesamtes (destatis, 2019, S. 11) und des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) (Heublein et al., 2017, S. 269) vermuten lassen. Darüber hinaus wurde deutlich, dass insbesondere die MINT-Fächer hohe Schwundquoten aufweisen. Somit konnte für M-V festgestellt werden, dass der Verlust von Studierenden in den MINT-Lehramtsstudiengängen den Lehrkräftemangel, der in diesen Fächern bundesweit hoch ist (KMK, 2019), verstärkt. Es ist zu antizipieren, dass sich der Mangel an Nachwuchslehrkräften in den MINT-Fächern negativ auf die Unterrichtsversorgung auswirkt und dazu beiträgt, dass Schülerinnen und Schüler in nicht ausreichendem Maße oder durch gering qualifizierte Lehrkräfte unterrichtet werden. Da Interesse und Wissensvermittlung mit der Gestaltung des Unterrichts korrelieren (vgl. bspw. Ditton, 2002), bleibt zu befürchten, dass der Lehrkräftemangel in den MINT-Fächern perspektivisch dazu führt, dass sich der Fachkräftemangel in darauf aufbauenden Berufsbereichen weiter verstärkt. Dies schließt wiederum die Rekrutierung von Studieninteressierten für das Lehramtsstudium in den MINT-Fächern ein, sodass der Lehrkräftemangel in diesen Fächern ein anhaltendes, sich potenzierendes Problem zu werden droht.

    Um der gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden und auch Studierende auf ihrem Weg besser zu begleiten, wurden und werden an den Hochschulen viele verschiedene Einzelmaßnahmen zur Erhöhung des Studienerfolgs in den Lehramtsstudiengängen durchgeführt. Dabei werden unter Maßnahmen beispielsweise Orientierungsangebote in der Studieneingangsphase und Beratungen als auch strukturelle und inhaltliche Änderungen, die sich in den Studien- und Prüfungsordnungen widerspiegeln, verstanden.

    Die mit dem Projekt geplante Evaluation der Maßnahmen soll sich auf einzelne Fächer konzentrieren, da sowohl der aktuelle Forschungsstand als auch die Ergebnisse des Projekts „Studienerfolg und -misserfolg im Lehramtsstudium“ darauf hinweisen, dass Fachspezifika zu berücksichtigen sind (vgl. bspw. Heublein et al., 2017, S. 264–266; Gesk, 1999, S. 141). Dabei zielen viele der zu untersuchenden Maßnahmen auf die Studieneingangsphase, da ein Großteil des Schwundes in den ersten Semestern erfolgt (vgl. Radisch et al., 2018).

    Unterstützungsangebote und Strukturelle Änderungen (bspw. Veränderungen des Ablaufs von Modulen im Studienverlauf) werden mittels standardisierter Gespräche mit Fachverantwortlichen der Hochschulen erhoben und genau beschrieben. Darauf aufbauend werden die Maßnahmen anlehnend an die von Bosse et al. (2019, S. 37-55) vorgestellten Typologie in der Begleitforschung zum Qualitätspakt Lehre kategorisiert und evaluiert.. Zum einen soll so untersucht werden, inwiefern solche Maßnahmen den Studienerfolg erhöhen. Dafür werden die oben genannten Kriterien herangezogen, die bereits während des Studienverlaufs untersucht werden können. Zum anderen soll kontrolliert werden, welche Effekte sich auf welche Maßnahmen zurückführen lassen bzw. wie diese sich gegenseitig bedingen.

    Die Orientierung an dieser Typologie ermöglicht es zum einen, innerhalb der Hochschule einen „Überblick über die Maßnahmen zu gewinnen, die häufig unter unterschiedlichen Bezeichnungen an zentralen Einrichtungen, in einzelnen Fachbereichen oder Studiengängen angesiedelt sind.“ (vgl. Bosse et al. 2019, S. 54). Zum anderen ermöglicht sie es, die Ergebnisse hochschulübergreifend in den wissenschaftlichen Diskurs einfließen zu lassen. Vergleichbare Angebote können identifiziert, Transfermöglichkeiten geprüft und Gestaltungsanregungen eingeholt werden (vgl. ebd.).

    Die Evaluation der Wirksamkeit und die Identifikation von Wirksamkeitsvoraussetzungen der Maßnahmen sollen mit Hilfe der Studienverlaufsstatistik erfolgen. Die Auswirkungen der Maßnahmen und Strukturen auf den Studienverlauf allein über Befragungen zu erfassen ist problematisch, da zum einen nicht alle Studierenden erreicht werden. Zum anderen zeigt bspw. Pohlenz (2008) auf, wie die Validität dadurch eingeschränkt ist, dass bspw. „die Qualitätsvorstellungen der Befragten von denen der Befragenden abweichen“ (S. 200) und Kontextbedingungen nicht ausreichend berücksichtigt werden (S. 200-206). Durch eine Studienverlaufsstatistik erhalten Hochschulen verlässliche Kennzahlen, die es ermöglichen, erwartete Effekte (bspw. geringerer Schwund nach den ersten Semestern, mehr Prüfungsanmeldungen zum Regelprüfungstermin, höhere Absolventenquoten etc.) zu überprüfen (vgl. Abbildung). Der Fokus des bisherigen Monitorings an der Universität Rostock lag auf der Bereitstellung von Informationen zum Studienverlauf und der Berechnung von Quoten. In Gesprächen mit den Verantwortlichen der Fächer wurden diese Informationen als Grundlage für die Konzeption von Maßnahmen übergeben und diskutiert. Im beantragten Vorhaben soll nun die existierende Studienverlaufsstatistik so erweitert werden, dass durch eine Verzahnung von Studienverlaufs- und Prüfungsdaten Veränderungen durch die Maßnahmen auf mehreren Ebenen ersichtlich werden können.

    Ergänzend dazu sollen gezielte maßnahmenspezifische Befragungen der Studierenden und Dozierenden die Herstellung von Kausalzusammenhängen ermöglichen, die allein durch die Veränderungen in den Verlaufsdaten nicht erkennbar sind. Dabei sollen die Befragungsergebnisse mit den Verlaufsdaten verknüpft werden, was mit bereits existierenden Befragungsdaten nicht möglich ist.

    Ziel des Projekts ist es, die Planung, Durchführung und Evaluation von Maßnahmen effizienter und evidenzbasierter zu gestalten. Zudem soll am Ende des Projektes eine Übersicht zu studienerfolgs-fördernden Maßnahmen im Lehramtsstudium entstehen. Die Einteilung dieser anhand der Maßnahmenkategorien von Bosse et al. (2019) inklusive entsprechender Ergänzungen sowie die ausführliche Schilderung förderlicher und hinderlicher Bedingungen soll eine Vergleichbarkeit sowie bundesweite Transferabilität ermöglichen. Gleichzeitig soll dargestellt werden, inwiefern die in den Hochschulen vorhandenen studienverlaufsstatistischen Daten neue und bislang ungenutzte Wege zur Maßnahmenevaluation eröffnen können.

    Literatur

    Literatur

    Bornkessel, Philipp (2018): Erfolg im Studium. Konzeption, Befunde und Desiderate. Bielefeld: wbv.

    Bosse, Elke; Mergner, Julia; Wallis, Marten; Jänsch, Vanessa K.; Kunow, Linda (2019): Gelingendes Studieren in der Studieneingangsphase. Ergebnisse und Anregungen für die Praxis aus der Begleitforschung zum Qualitätspakt Lehre im Projekt StuFHe. Hamburg. Online verfügbar unter  https://www.oa.uni-hamburg.de/elke-bosse-stufhe-2019/elke-bosse-stufhe-2019.pdf (18.02.2020).

    Ditton, Hartmut (2002): Lehrkräfte und Unterricht aus Schülersicht. Ergebnisse einer Untersuchung im Fach Mathematik. In: Zeitschrift für Pädagogik 48 (2), S. 262-286.

    Gesk, Inge (1999): Studienabbruch an Pädagogischen Hochschulen. Dargestellt am Studiengang für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen. Heidelberg. Online verfügbar unter https://archiv.ub.uni-heidelberg.de/volltextserver/1433/ (18.02.2020).

    Güldener, Torben; Driesner, Ivonne; Arndt, Mona; Radisch, Falk (2019): Studienverlaufsstatistiken als Instrument der Hochschulentwicklung und -forschung in Deutschland. In: Beiträge zur Hochschulforschung (2). S. 72-83.

    Heinze, Daniela (2018): Die Bedeutung der Volition für den Studienerfolg. Zu dem Einfluss volitionaler Strategien der Handlungskontrolle auf den Erfolg von Bachelorstudierenden. Wiesbaden: Springer VS.

    Heublein, Ulrich; Ebert, Julia; Hutzsch, Christopher; Isleib, Sören; König, Richard; Richter, Johanna; Woisch, Andreas (2017): Zwischen Studienerwartungen und Studienwirklichkeit. Ursachen des Studienabbruchs, beruflicher Verbleib der Studienabbrecherinnen und Studienabbrecher und Entwicklung der Studienabbruchquote an deutschen Hochschulen. Hannover: Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung.

    Huber, Ludwig. (2009). Von „basalen Fähigkeiten“ bis vertiefte Allgemeinbildung: Was sollen Abiturientinnen und Abiturienten für daskmk Abitur mitbringen? In: Bosse, Dorit (Hrsg.): Gymnasiale Bildung zwischen Kompetenzorientierung und Kulturarbeit (S. 107–124). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

    KMK (Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland) (2019): Lehrereinstellungsbedarf und -angebot in der Bundesrepublik Deutschland 2019 bis 2030 - Zusammengefasste Modellrechnungen der Länder. Berlin.

    Pohlenz, Philipp (2008): Datenqualität als Schlüsselfrage der Qualitätssicherung von Lehre und Studium an Hochschulen. Potsdam: Universitätsverlag.

    Radisch, Falk; Driesner, Ivonne; Arndt, Mona; Güldener, Torben; Czapowski, Janek; Petry, Martin; Seeber, Anne-Marie (2018): Abschlussbericht Studienerfolg und -misserfolg im Lehramtsstudium. Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur Mecklenburg-Vorpommern. Schwerin.

    destatis (Statistisches Bundesamt) (2019): Erfolgsquoten. Berechnung für die Studienanfängerjahrgänge 2005 bis 2009.